American
Modelrailroading
hatte vor gut drei Jahrzehnten
mit deutschen Modellbahnanlagen kaum etwas gemeinsam. Bei uns klebten die
meisten Modellbahner nach Anleitung vorgefertigte farbige Plastikteile zusammen,
die in Form von mehr oder weniger maßstäblichen Baukästen zahlreicher
Hersteller im Handel erhältlich waren.
In anderen Teilen der Welt, vornehmlich in
Nordamerika und Australien verwendete man stattdessen bevorzugt „Craft Train
Kits“ aus präzise vorgestanzten Holz- oder Metallbauteilen. Die nächst höhere
Stufe war der Umbau oder die Verfeinerung, das „Kit bashing“ der Modelle. Und
wer es noch besser wollte und konnte, „scratchte“ sich seine Miniaturwelt im
Eigenbau zusammen. Das war nicht nur viel billiger, sondern auch individueller
und verschaffte dem versierten Modellbauer höchste Anerkennung bei Wettbewerben
und Modellbahnausstellungen. Ob das Modell ein konkretes Vorbild hatte oder nur
in der eigenen Fantasie existierte, spielte dabei nur eine untergeordnete
Rolle. „Model Railroading is an art form, too“ (Modellbahnbau ist auch eine
Kunstrichtung) behaupteten „Craft Train Masters“ und ich finde, sie hatten
recht. Von digitalen Zugsteuerungen mittels App waren sie (Gottseidank) noch
Dekaden entfernt!
Ein typischer amerikanischer "Craft Train Kit"
mit Teilen aus Holz, echtem Miniaturwellblech
und Weißmetallguss
(Katalogbild, Repro)
Bereits anfangs der 1980er Jahren faszinierten mich
die fantastischen Landschaftsnachbildungen mit ihren gewagten Holzbrücken (trestle bridge), den oft pittoresken Gebäuden mit absolut authentisch nachgebauten Gebäudeinneneinrichtungen und Hinterhofszenen
im „
Model-Railroader
“, der auflagenstärksten amerikanischen
Modellbahnzeitschrift. Der "Protagonist" für diese Art des Modellbaus und für mich ein Vorbild heißt
Malcolm Furlow
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Das notwendige Zubehör lieferte damals die Firma
Walthers
aus Milwaukee in einer Fülle, die hier in Europa undenkbar gewesen
wäre. Diese „Super Detail Parts“ wurden exklusiv aus feinstem Metallguss oder
fein geätzten Messingblech gefertigt und reichten vom maßstäblichen
Tischlerhobel bis zur Industriedampfmaschine, von der
Petroleum-Schreibtischleuchte über Plüschsofas bis zum kompletten Billardtisch,
natürlich alles stilecht passend für die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der
Katalog („Craft Train Manual“) aus dem Jahr 1981 gehört bei mir zu den meistgelesenen Druckwerken der
letzten Jahre.
Im alten Walthers-Katalog gab es alles, was
das Herz eines Modellbauers hoch schlagen lässt
maßstäblich aus feinstem Weißmetallguss
(Walther's Katalog 1981, Repro)
Die Firma Walthers hat ihr Angebot
mittlerweile erheblich reduziert. Heute muss man im Internet bei eBay nach derartigen
Schätzchen lange suchen. Ohne fundierte Englischkenntnisse ist es fast
unmöglich, erfolgreich fündig zu werden. Die Versandkosten sind oft sehr hoch und werden vom Deutschen Zoll bei der Gebührenberechnung miteinbezogen!
In Deutschland gibt es nur wenige Anbieter für amerikanische Modellbahnen. Empfehlens- und preiswert ist das umfangreiche Angebot von
RD-Hobby Modellbahnen
in Groß-Rohrheim,
die auch (auf Bestellung) das Walthers-Sortiment liefert.
Ganz einfach - wer sich mit amerikanischen Vorbildern im Modellbau und dem American Railroading beschäftigt, kommt ohne Kenntnisse der (amerikanisch) englischen Sprache nicht aus. Es gibt so gut wie keine deutschen Bücher für diese spezielle Form der Modelleisenbahngestaltung und das, was in deutscher Sprache im Internet kursiert, ist - mit Verlaub - kaum geeignet, meinen hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Am ehesten geeignet sind die Seiten der deutschen
U.S. Modellbahn-Convention
, die einmal im Jahr eine tolle Veranstaltung mit internationalen Ausstellern in Rodgau Nieder-Roden organisiert. Über die Veranstaltung existiert ein beeindruckendes
Video
.
Die hier dargestellte Holzverladung im Maßstab 1:43,
gezeigt auf der Modellbahn-Convention 2013,
ist zwar hervorragend modelliert, aber aus Platzgründen
nicht ganz vorbildgetreu
(zum Vorbildfoto auf das Bild klicken)
Das Problem der europäischen, oft sehr talentierten Modellbauer ist, dass sie technische Verfahrensabläufe zwar in ihren (oft digitalen) Fahrbetrieb integrieren möchten, aber dabei die Realität der von wirtschaftlichen Überlegungen geprägten Vorbildeszenarien außer Acht lassen. Dazu braucht man Platz, viel Platz! Eine Holzverladung zum Beispiel fand immer in einer chaotischen Umgebung weitab der Zivilisation statt. In unmittelbarer Nähe gab es weder zusätzliche Gleise noch Brückenbauwerke und erst recht keine menschlichen Behausungen... Wer so etwas nachbilden will, muss sich mit der amerikanischen Holzwirtschaft, mit der Landschaft und mit dem harten Alltag der Holzfäller beschäftigen. Dies in einen funktionierenden Fahrbetrieb zu integrieren ist eine nicht ganz einfache Aufgabe!
Verladung von Baumstämmen auf einem
Verladegleis am Holzsammelplatz per Seilkran
mit Dampfwinden
(Repro)
Deshalb habe ich mich seit Jahren mit dem Vorbild bestens vertraut gemacht und weiß, was auf mich zukommt. Da mir der Fahrbetrieb dabei eher unwichtig ist, werde ich die Herausforderung annehmen und möglichst bald eine eigene, vorbildgetreue Holzverladungsszene im Bild präsentieren und beschreiben.
Züge die im Kreis fahren oder durch Löcher in Maulwurfshügeln rauschen, die man dann als Gebirgsnachbildung bezeichnet, gibt es für den echten US-Modelrailroader nicht. Entweder es ist Platz genug da und er lässt seine meterlangen Güterzüge an der Wand entlang vor einem sorgfältig gestalteten Hintergrund fahren oder er baut genormte Module, die bei nationalen oder internationalen Treffen (Conventions) mit den Modulen anderer Teilnehmer kombinierbar sind. Oder man baut detailverliebte Szenen (Dioramen), bei denen spielzeughafte Bewegung eher nur stört.
Ich selbst habe mich noch nicht endgültig festgelegt und schaffe mir zunächst einmal einen soliden Fundus aus Einzelbestandteilen.
Fels im Modell
Felsen haben es mir angetan. Zahlreiche berühmte Eisenbahnstrecken durchqueren die Rocky Mountains oft durch grandiose Felsschluchten. Die Ingenieure des 19. Jahrhunderts haben die Trassen in die steilen Wände hineingesprengt und so aufregend wilde Kulissen geschaffen, die im krassen Gegensatz zu dem jeweils technischen Fortschritt stehen.
Da natürliche Felsbrocken zu unförmig und zu schwer sind, haben die Amerikaner eine pfiffige Methode auf den Markt gebracht, wie man sie täuschend echt imitieren kann.
Aus Gipsmasse gegossene Felsen sind einfach und preiswert in großen Stückzahlen herstellbar. Mit der entsprechenden Bemalung lassen sie sich in die verschiedensten Gesteinsarten verwandeln. Die Vorlagen liefert die Natur gratis und passende Fotos findet man mit Google-Bildersuche reichlich.
Die Gipsformen aus Silikon-Gummi gibt es von Woodland Scenics (Vertrieb in Deutschland über NOCH-Modellspielwaren). Sehr feinen (und leichten) Gips findet man im Internet unter zahntechnischem Zubehör. Die Form wird mit Prilwasser benetzt, der gut flüssige Gipsbrei eingefüllt und überflüssige Masse mit einer Holzleiste abgestreift. Der Guss sollte über Nacht (oder besser 24 Stunden) in Ruhe bei Zimmertemperatur aushärten. Danach vorsichtig aus der Form drücken und weiter trocknen lassen.
Zum Bemalen kann man mit verdünnter Abtönfarbe (Umbra oder gebr. Sienna) eine erste Grundierung auftragen. Anschließend verwende ich mit Wasser verdünnte Acrylfarben. Danach wird stark verdünnte dunkle Wasserfarbe aufgetragen und sofort wieder abgewischt. Nur in den Vertiefungen bleibt der dunkle Ton erhalten. Mit Farbpigmenten in Pulverform lassen sich jetzt noch tolle Effekte erzielen. Zuletzt werden die hochstehenden Kanten mit hellgrauer Farbe mit einem fast trockenen breiten Pinsel ganz vorsichtig hervorgehoben (Dry-Brushing-Methode).